1. Die Arab Image Foundation und Fragen des Archivs
Bei der 1997 in der libanesischen Hauptstadt Beirut gegründeten Arab Image Foundation handelt es sich um eine von Künstlern initiierte gemeinnützige Stiftung. Diese widmet sich der Sammlung, Bewahrung und Analyse historischer Fotografien aus dem Nahen Osten, Nordafrika und der arabischen Diaspora und ist mit mittlerweile über 400.000 Fotografien, Glasplatten und Negativen das größte Fotoarchiv im Nahen Osten. 11Das Konvolut der AIF reicht von Fotografien aus den Anfangsjahren der arabischen Fotografiegeschichte in den 1860er Jahren bis hin zu Positionen aus den späten 1990er Jahren, wodurch annähernd 150 Jahre fotografischer Praxis in der Region visualisiert werden. Ausführliche Informationen zur Entstehungsgeschichte sowie zu den Aktivitäten und einzelnen Projekten der Stiftung finden sich unter: www.fai.org.lb. Inwiefern die Arab Image Foundation durch ihre Konzentration auf private Alltags- und institutionelle Gebrauchsfotografien möglicherweise ein alternatives Wissen birgt, gilt es im Folgenden zu thematisieren.
Insbesondere in Gefolgschaft poststrukturalistischer und diskursanalytischer Theorien werden Archive nicht länger als passive Orte der Bewahrung oder als neutrale Speicherstätten konzeptualisiert, sondern vielmehr als von Diskursen und Dispositiven sowie von autoritären Strukturen bestimmte Ordnungen. 22Vgl. Knut Ebeling, Stephan Günzel: „Einleitung“, in: Dies. (Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Philosophie, Medien und Künsten, Berlin 2009, S. 7–26. Archonten, sogenannte „Wächter des Archivs“ 33Derrida prägte diesen Gedanken, indem er die Geschichte der griechischen Archive und deren Verwalter für die Archivtheorie fruchtbar machte. Vgl. Jacques Derrida: „Dem Archiv verschrieben“, in: Ebeling, Günzel (Hg.): Archivologie (wie Anm.2), S. 29–60. bestimmen die archivarische Logik, scheiden Wichtiges von Unwichtigem und legen auf diese Weise fest, was Eingang in das Archiv findet, und was dem Vergessen anheimfällt. Demgemäß beeinflussen Archive als machtvolle Instrumente die Geschichtsschreibung eines Volkes, einer Nation oder einer bestimmten historischen Epoche.
Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass die Arab Image Foundation durch das Sammeln von Alltags- und Gebrauchsfotografien eine bewusste Setzung vornimmt und dass diese in Demarkation zu zwei Diskursen erfolgt: Zum einen dem des Archivs als Ort einer kollektiven Repräsentativität beziehungsweise als Instanz einer als offiziell deklarierten Historiografie und ferner dem der kolonialen Fotografie respektive der festschreibenden Matrix hegemonialer Bildpraktiken.
2. Die fotografischen Objekte als Absage an dominante Geschichtsnarrationen
Wenn Thomas Elsaesser Erinnerung als „die Wahrnehmung der Vergangenheit durch ein lebendiges Bewusstsein“ und Geschichte als „die professionell legitimierte oder kollektiv ausgehandelte Version jener Vergangenheit“ kennzeichnet, 44Thomas Elsaesser: „Migration und Motiv. Die (parapraktische) Erinnerung an ein Bild“, in: Peter Geimer, Michael Hagner (Hg.): Nachleben und Rekonstruktion. Vergangenheit im Bild, München 2012, S. 159–175, hier S. 160. dann wird diese Distinktion von der Arab Image Foundation unterlaufen, zumindest aber ins Fluide verschoben. Denn während offizielle Archive aufgrund ihrer Verpflichtung einer kollektiven Repräsentativität für gewöhnlich Dokumente jener von Elsaesser als legitimierte Vergangenheit benannten Geschichte versammeln, nimmt die Arab Image Foundation vermittels privater und institutioneller Alltags- und Gebrauchsfotografien gleichsam Mikrogeschichten in den Blick. So bewahrt die Stiftung – gewissermaßen Pierre Bourdieus Interesse an den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie folgend 55Pierre Bourdieu u.a.: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie [1965], Frankfurt a. M. 1981. – ein enormes Konvolut persönlicher Erinnerungen, die aufgrund ihrer Subjektivität und der ihr zugeschriebenen Marginalität eigentlich nicht in ein offizielles Archiv gelangt wären. In diesem Sinne besteht die in der Arab Image Foundation verwahrte Geschichte, ganz im Sinne Sigfried Kracauers Geschichtskonzeption, aus einer Vielzahl subjektiver Geschichten. 66Siegfried Kracauer: „Geschichte – Vor den letzten Dingen“ [1972], in: Ders.: Werke, Bd. 4, hg. von Ingrid Belke, Frankfurt a. M. 2009. In diesem posthum veröffentlichten Essay wendet sich Kracauer auch der Mikrogeschichte zu, indem er Geschichte als das Erzählen vieler Einzelgeschichten konzeptualisiert. Vgl. besonders Kap. V, S. 117–153. Damit orientiert sich die Arab Image Foundation gewissermaßen an der Mikrogeschichte und an Archiven der Alltagskultur. D.h., sie grenzt sich zwar bewusst von einer bestimmten Richtung der Geschichtsschreibung ab, beruft sich zugleich jedoch auf andere Formen der Historiografie und folgt somit ebenfalls schon bestimmten Traditionslinien.
Die archivarische Ordnung der Arab Image Foundation wurde maßgeblich von deren (Gründungs-)Mitgliedern bestimmt, die bei der Konstituierung des Archivs offensichtlich von postmodernen Ideen sowie der Erfahrung des libanesischen Bürgerkrieges beeinflusst wurden. 77Gründungsmitglieder der Arab Image Foundation sind die beiden libanesischen Fotografen Fouad Elkoury und Samer Mohdad sowie ihr Landsmann, der Foto- und Videokünstler Akram Zaatari. Zu den Stiftungsmitgliedern gehören respektive gehörten renommierte Künstler und Intellektuelle aus der Region, wie beispielsweise Walid Raad, Lucien Samaha, Jalal Toufic, Lara Baladi oder Yto Barrada. So spiegelt sich in der Fokussierung auf alltägliche Bildpraxen und in der Koexistenz heterogener Bildinhalte eine Absage an sogenannte Meta-Erzählungen wider, 88Der Skeptizismus gegenüber Meta-Erzählungen erinnert an Lyotards kritische Befragung großer Erzählungen. Vgl. Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht [1979], hg. von Peter Engelmann, Wien 1999. wobei das Nebeneinander indes nicht als Auflösung von Geschichte, sondern vielmehr als deren postmoderne Multiplizierung aufgefasst werden kann. Dementsprechend wandelt sich das Konstrukt einer großen, kohärenten Geschichte in eine Myriade an Erzählungen, die das Heterogene, Fragmentarische sowie scheinbar Marginale in den Blick nehmen und sich in ihrer Pluralität auch gegen hegemoniale Setzungen wenden, wie sie noch für die Moderne als „Repräsentantin der Macht“ 99Charles Jencks: „Die Meta-Erzählung der Postmoderne“, in: Ingeborg Flagge, Romana Schneider (Hg.): Revision der Postmoderne. Post-Modernism Revisited [Ausst.-Kat. Deutsches Architektur Museum DAM, Frankfurt a. M. 2004–2005], Hamburg 2004, S. 12–30, hier S. 15. charakteristisch waren. Eine derartig angedeutete Revision der Moderne findet in der Arab Image Foundation in der kritischen Befragung des Archivs als Hort des Wesentlichen beziehungsweise in der Absage an die Möglichkeit einer generellen Repräsentativität durch das Archiv eine Fortführung, wodurch implizit auch hegemoniale Setzungen archivarischer Ordnungen problematisiert werden.
Ferner haben der libanesische Bürgerkrieg (1975–1991) sowie die diesem vorausgegangenen Konflikte gezeigt, dass die Geschichtsschreibung des Libanon vorwiegend von externen Interessen gelenkt oder zumindest mitbestimmt wurde – insbesondere den Nachbarländern Israel und Syrien sowie der europäischen Großmächte und den USA. Dies hat den Glauben an eine authentische Geschichtsnarration dann vollends zersetzt. So weist beispielsweise Mark Westmoreland darauf hin, dass die persönliche Kriegserfahrung und die ideologische Vereinnahmung der Historiografie durch unterschiedliche Kräfte bei den libanesischen Künstlern der Nachkriegsgeneration zu einer Ablehnung des Konzepts einer Meta-Erzählung und zum Skeptizismus gegenüber kohärenten Narrativen beziehungsweise dem Konstrukt einer „offiziellen“ Geschichte führte. 1010Vgl. Mark Westmoreland: „You cannot partition Desire: Akram Zaatari’s creative Motivations“, in: Juan Vicente Aliaga (Hg.): Akram Zaatari. El molesto asunto/The Uneasy Subject [Ausst.-Kat. MUSAC León 2011; MUAC Mexico DF 2012], Mailand 2011, S. 25–51, besonders S. 25f. Zur Generation der „Postwar Artists“ vgl. Suzanne Cotter (Hg.): Out of Beirut, Zürich 2006.
3. Die fotografischen Objekte als Absage an koloniale Festschreibungen
Lange handelte es sich bei Fotografien aus der arabischen Welt überwiegend um Bilder, die von Kolonialherren, (Forschungs-)Reisenden oder Militärangehörigen angefertigt wurden. Da diese einem „westlichen“ Blick geschuldet waren, installierten und perpetuierten sie in der Regel beinahe zwangsläufig orientalistische Repräsentationen. So zeigen beispielsweise Fotografien, welche die Märchenhaftigkeit eines imaginierten Orients oder dessen Rückständigkeit herausstellen auf eindrückliche Weise, dass derartige Bilder einer bestimmten Ideologie verpflichtet sind respektive einem bestimmten Blickregime folgen und niemals neutrale Abbildungen lieferten. 1111Wiederholt ist auf das fotografisch betriebene Othering bzw. die fixierende Festschreibung des kolonialen Anderen hingewiesen worden, wobei derartige Studien die Fotografie als Macht ausübendes Medium charakterisieren. Vgl. Malek Alloula: Haremsphantasien. Aus dem Postkartenalbum der Kolonialzeit, Freiburg 1994. Zu fragen wäre in diesem Zusammenhang allerdings auch, inwiefern überhaupt neutrale Abbildungen existieren, wenn man davon ausgeht, dass stets subjektive An- und Einsichten die Bildproduktion bestimmen. Demnach sind Abbildungen immer das Produkt einer kulturell und individuell geprägten Perspektive. Neben solch kolonialen Bildpraxen existierten allerdings schon kurz nach der Erfindung der Fotografie auch fotografische Positionen arabischen Ursprungs. Begünstigt wurde dies durch die Etablierung lokaler Fotostudios, die bereits im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in vielen Metropolen des Nahen Ostens entstanden und zuallererst Alltags- und Gebrauchsfotografien anfertigten.
Dieser Umstand findet zumeist keinen Eingang in wissenschaftliche Diskurse, ist jedoch der Ausgangspunkt der Arab Image Foundation. Denn diese sammelt vorwiegend Fotografien aus dem Nahen Osten anstatt Repräsentationen über den imaginierten Orient respektive lokale Praktiken anstatt solche von in der Region tätigen Europäern. Auf diese Weise ermöglicht sie Alternativen zu einem westlichen Bildgedächtnis und lässt sich folglich mit Regina Göckede als „visuelles Gegenarchiv“ 1212Vgl. Regina Göckede: „Zweifelhafte Dokumente. Zeitgenössische arabische Kunst. Walid Raad und die Frage der Re-Präsentation“, in: Dies., Alexandra Karentzos (Hg.): Der Orient, die Fremde. Positionen zeitgenössischer Kunst und Literatur, Bielefeld 2006, S.185–203, hier S. 189. zu westlichen Speichermedien konzeptualisieren. In diesem Sinne bezeugt die Sammlung der Arab Image Foundation, dass neben der kolonialen Bildproduktion schon seit jeher vielfältige Einsätze und Verwendungsweisen des fotografischen Bildes im Nahen Osten existierten – etwa als Identifikations- und Erinnerungsmedium oder als Dekorations- und Statussymbol. Überdies zeigen insbesondere die private Fotografie sowie die Porträtfotografie, dass das arabische Bürgertum die Fotografie sehr schnell für sich entdeckte und sich die lokale Fotopraxis in Interdependenz mit den Traditionen und Konventionen des Westens entwickelte. Dies bezeugen visuelle Aneignungen tradierter porträtfotografischer Darstellungsparameter, wie sie im Archiv der Arab Image Foundation zahlreich zu finden sind. Dabei lassen sich die ikonografischen Übernahmen besonders an frühen Porträtfotografien der arabischen Bourgeoisie in westlicher Kleidung sowie mit klassischen Studio-Requisiten belegen, welche die Selbstdarstellung des europäischen Bürgertums des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts im Sinne einer mimetischen Nachahmung en détail imitieren (Abb. 1).
Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, inwiefern diese visuellen Re-Inszenierungen 1313Vgl. zu diesem Terminus einführend Klaus Krüger, Leena Crasemann, Matthias Weiß (Hg.): Re-Inszenierte Fotografie, München 2011. in einer postkolonialen Lesart ein widerständiges Potential aufweisen. Sollen durch sie die hegemonialen Ambitionen der europäischen Großmächte mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden? 1414In dem Sinne, dass sich die Abgebildeten als moderne, säkulare Subjekte präsentieren, die den Habitus des sich als dominant begreifenden Europäers verinnerlicht haben (z.B. über Gestik und Mimik, über die Kleidung und westliche Attribute). Oder ist das Mimetische nicht vielmehr als Versuch des Anschlusses an den Westen sowie als Abgrenzung der lokalen Elite zu niedrigeren Schichten zu verstehen – also als Inklusions- und Distinktionsmerkmal zugleich? Obwohl es gute Gründe gibt, die visuellen Übernahmen als subversive Strategien zu verstehen – im Sinne einer postkolonialen Mimikry, wie sie beispielsweise von Homi Bhabha vorgeschlagen wurde 1515Vgl. Homi Bhabha: „Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses“, in: Ders.: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S. 125–136. – soll hier eher der Lesart des Kulturwissenschaftlers Stephen Sheehi gefolgt werden, der die Imitationen europäisch geprägter imagines zwar analog zu Bhabha ebenfalls als bewusste Nachahmungen konzeptualisiert, dabei allerdings nicht so sehr die subversiven, sondern vielmehr die emanzipatorischen Potentiale der Imitationen betont. Demzufolge manifestiert sich in ihnen eine neue Selbstwahrnehmung des arabischen Bürgertums, die im Kontext der arabischen Renaissance – der sogenannten „Nahda“ – seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Ursprung fand und sich in der Folge etwa darin ausdrückte, dass sich das arabische Bürgertum als modern, individualistisch und säkular definierte und gezielt den Anschluss zu westlichen Praktiken suchte. 1616„I argue that the act of ‚imitation‘ was an ideological act by which non-Western subjects claimed ownership of modernity along with its intellectual and capital resources and privileges.“ Stephen Sheehi: „A Social History of early Arab Photography or a Prolegomenon to Archaeology of the Lebanese Imago“, in: International Journal of Middle East Studies 39 (2007), Heft 2, S. 177–208, hier S. 178.
Dass sich im Archiv der Arab Image Foundation primär Fotografien finden, die einer als offiziell ausgehandelten Geschichtsnarration subjektive Perspektiven entgegensetzen oder solche, die orientalistische Stereotypen mit alternativen Bildern konfrontieren, kann exemplarisch an Fotografien des libanesischen Historikers Jibrail Jabbur (1900−1991) gezeigt werden. Dieser hatte sich Mitte des 20. Jahrhunderts einen Namen als Beduinenforscher gemacht und die Kamera schon früh zur Dokumentation seiner Feldforschung eingesetzt. Zugleich schuf der Forscher jedoch auch ein privates Konvolut an Aufnahmen. Dieses zeigt beispielsweise Ansichten von Picknicks oder privaten Ausflügen und verweist auf diese Weise dezidiert auf das Alltägliche und Persönliche (Abb. 2). Auch die zahlreichen Fotografien seiner Frau Asma, die sich mit ihrer modischen Kurzhaarfrisur gleichsam als „Neue Frau“ 1717Vgl. Katharina Sykora: „Die Neue Frau. Ein Alltagsmythos der Zwanziger Jahre“, in: Dies. u.a. (Hg.): Die neue Frau. Herausforderung für die Bildmedien der Zwanziger Jahre, Marburg 1993, S. 9–24. zu erkennen gibt (Abb. 3), betonen immer wieder das Private – etwa in intimen Momenten mit Kind (Abb. 4) oder wenn sie unverkennbar mit der Kamera spielt.
Insofern ist das Überraschende am Archiv der Arab Image Foundation, dass es ein Sammelsurium an persönlichen Erinnerungen versammelt anstatt Bilder einer als „offiziell“ deklarierten Geschichte. Und dass zahlreiche Bildfindungen im Kontext der Orientalismus-Debatte eine Neuinterpretation erfordern – wie es beispielhaft die Fotografien von Asma Jabbur andeuten. In diesem Sinne reihen sich anstatt Repräsentationen großer historischer Ereignisse einfache Alltags- und Gebrauchsfotografien aneinander, die Gegengeschichten zur offiziellen Historiografie erzählen. Ferner weist ein Gros der zusammengetragenen Fotografien eine eigentümliche Nähe zu tradierten europäischen Fotopraktiken beziehungsweise zu westlichen Porträtikonografien auf, anstatt einen imaginären Orient zu perpetuieren oder diesen in seiner exotischen Fremdartigkeit festzuschreiben. Damit sind nicht ikonische Geschichtsbilder oder Repräsentationen des kolonialen Anderen das Verblüffende im Archiv der Arab Image Foundation, sondern Fotografien, die das Alltägliche herausstellen und ferner eine Affinität mit dem Westen betonen anstatt eine Differenz zu diesem zu akzentuieren.
- 1Das Konvolut der AIF reicht von Fotografien aus den Anfangsjahren der arabischen Fotografiegeschichte in den 1860er Jahren bis hin zu Positionen aus den späten 1990er Jahren, wodurch annähernd 150 Jahre fotografischer Praxis in der Region visualisiert werden. Ausführliche Informationen zur Entstehungsgeschichte sowie zu den Aktivitäten und einzelnen Projekten der Stiftung finden sich unter: www.fai.org.lb.
- 2Vgl. Knut Ebeling, Stephan Günzel: „Einleitung“, in: Dies. (Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Philosophie, Medien und Künsten, Berlin 2009, S. 7–26.
- 3Derrida prägte diesen Gedanken, indem er die Geschichte der griechischen Archive und deren Verwalter für die Archivtheorie fruchtbar machte. Vgl. Jacques Derrida: „Dem Archiv verschrieben“, in: Ebeling, Günzel (Hg.): Archivologie (wie Anm.2), S. 29–60.
- 4Thomas Elsaesser: „Migration und Motiv. Die (parapraktische) Erinnerung an ein Bild“, in: Peter Geimer, Michael Hagner (Hg.): Nachleben und Rekonstruktion. Vergangenheit im Bild, München 2012, S. 159–175, hier S. 160.
- 5Pierre Bourdieu u.a.: Eine illegitime Kunst. Die sozialen Gebrauchsweisen der Photographie [1965], Frankfurt a. M. 1981.
- 6Siegfried Kracauer: „Geschichte – Vor den letzten Dingen“ [1972], in: Ders.: Werke, Bd. 4, hg. von Ingrid Belke, Frankfurt a. M. 2009. In diesem posthum veröffentlichten Essay wendet sich Kracauer auch der Mikrogeschichte zu, indem er Geschichte als das Erzählen vieler Einzelgeschichten konzeptualisiert. Vgl. besonders Kap. V, S. 117–153. Damit orientiert sich die Arab Image Foundation gewissermaßen an der Mikrogeschichte und an Archiven der Alltagskultur. D.h., sie grenzt sich zwar bewusst von einer bestimmten Richtung der Geschichtsschreibung ab, beruft sich zugleich jedoch auf andere Formen der Historiografie und folgt somit ebenfalls schon bestimmten Traditionslinien.
- 7Gründungsmitglieder der Arab Image Foundation sind die beiden libanesischen Fotografen Fouad Elkoury und Samer Mohdad sowie ihr Landsmann, der Foto- und Videokünstler Akram Zaatari. Zu den Stiftungsmitgliedern gehören respektive gehörten renommierte Künstler und Intellektuelle aus der Region, wie beispielsweise Walid Raad, Lucien Samaha, Jalal Toufic, Lara Baladi oder Yto Barrada.
- 8Der Skeptizismus gegenüber Meta-Erzählungen erinnert an Lyotards kritische Befragung großer Erzählungen. Vgl. Jean-François Lyotard: Das postmoderne Wissen. Ein Bericht [1979], hg. von Peter Engelmann, Wien 1999.
- 9Charles Jencks: „Die Meta-Erzählung der Postmoderne“, in: Ingeborg Flagge, Romana Schneider (Hg.): Revision der Postmoderne. Post-Modernism Revisited [Ausst.-Kat. Deutsches Architektur Museum DAM, Frankfurt a. M. 2004–2005], Hamburg 2004, S. 12–30, hier S. 15.
- 10Vgl. Mark Westmoreland: „You cannot partition Desire: Akram Zaatari’s creative Motivations“, in: Juan Vicente Aliaga (Hg.): Akram Zaatari. El molesto asunto/The Uneasy Subject [Ausst.-Kat. MUSAC León 2011; MUAC Mexico DF 2012], Mailand 2011, S. 25–51, besonders S. 25f. Zur Generation der „Postwar Artists“ vgl. Suzanne Cotter (Hg.): Out of Beirut, Zürich 2006.
- 11Wiederholt ist auf das fotografisch betriebene Othering bzw. die fixierende Festschreibung des kolonialen Anderen hingewiesen worden, wobei derartige Studien die Fotografie als Macht ausübendes Medium charakterisieren. Vgl. Malek Alloula: Haremsphantasien. Aus dem Postkartenalbum der Kolonialzeit, Freiburg 1994. Zu fragen wäre in diesem Zusammenhang allerdings auch, inwiefern überhaupt neutrale Abbildungen existieren, wenn man davon ausgeht, dass stets subjektive An- und Einsichten die Bildproduktion bestimmen. Demnach sind Abbildungen immer das Produkt einer kulturell und individuell geprägten Perspektive.
- 12Vgl. Regina Göckede: „Zweifelhafte Dokumente. Zeitgenössische arabische Kunst. Walid Raad und die Frage der Re-Präsentation“, in: Dies., Alexandra Karentzos (Hg.): Der Orient, die Fremde. Positionen zeitgenössischer Kunst und Literatur, Bielefeld 2006, S.185–203, hier S. 189.
- 13Vgl. zu diesem Terminus einführend Klaus Krüger, Leena Crasemann, Matthias Weiß (Hg.): Re-Inszenierte Fotografie, München 2011.
- 14In dem Sinne, dass sich die Abgebildeten als moderne, säkulare Subjekte präsentieren, die den Habitus des sich als dominant begreifenden Europäers verinnerlicht haben (z.B. über Gestik und Mimik, über die Kleidung und westliche Attribute).
- 15Vgl. Homi Bhabha: „Von Mimikry und Menschen: Die Ambivalenz des kolonialen Diskurses“, in: Ders.: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S. 125–136.
- 16„I argue that the act of ‚imitation‘ was an ideological act by which non-Western subjects claimed ownership of modernity along with its intellectual and capital resources and privileges.“ Stephen Sheehi: „A Social History of early Arab Photography or a Prolegomenon to Archaeology of the Lebanese Imago“, in: International Journal of Middle East Studies 39 (2007), Heft 2, S. 177–208, hier S. 178.
- 17Vgl. Katharina Sykora: „Die Neue Frau. Ein Alltagsmythos der Zwanziger Jahre“, in: Dies. u.a. (Hg.): Die neue Frau. Herausforderung für die Bildmedien der Zwanziger Jahre, Marburg 1993, S. 9–24.