Während der Dilettant im Konzept der klassischen Kunst zu einer peinlichen Figur erklärt wird, die bloß spielend agiert, ohne sich den Mühen und dem Ernst eines anstrengenden Studiums zu unterziehen, weshalb ihm die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten fehlen, wird der Dilettant im modernen Kunstbetrieb zu einem agent provocateur: Er lehnt sich gegen das Regime der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten auf – und begrüßt das Unfertige, nicht-perfekte als Form des Neuen. Unter dem Motto ‚Gelerntes vergessen‘ entsteht so ein strategischer Dilettantismus, der anerkannte Kunstbegriffe in Frage stellt – und dadurch Kunst schafft.
Uwe Wirth
Uwe Wirth hat seit 2007 den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literatur und Kulturwissenschaft an der der Liebig-Universität Gießen inne, davor war er zwei Jahre wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung in Berlin. Er promovierte zur Komik-Theorie und habilitierte sich über die Funktion fiktiver Herausgeberschaft in der Literatur um 1800. Neben einem andauernden Interesse für Dilettantismus (Dilettantismus als Beruf – Berlin 2009) liegen weitere Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Zeichen- und Kulturtheorie – hierzu erschienen im Suhrkamp-Verlag Sammelbände und Anthologien – so die Bände Performanz. Zwischen Sprachphilosophie und Kulturwissenschaft (2002) und Kulturwissenschaft. Eine Auswahl grundlegender Texte (2008). Momentan arbeitet er an einem Buch zur Pfropfung als Kultur-Modell, das sich kritisch mit kulturwissenschaftlichen Hybriditätskonzepten auseinander setzt.