Theater ist per se keine einfache Archivalie: Es ist an vergängliche Akteur_innen gebunden und seine Aufführungen sind – wie seine spezifische Ästhetik – flüchtig. Zudem stellt es selbst immer schon ein Archiv künstlerischer und gesellschaftlicher Praktiken und Diskurse dar, die in den Aufführungen auf- und ausgeführt werden. Der Umgang mit den je schon lückenhaften Dokumenten entpuppt sich dabei nicht nur als methodische, sondern auch als politische Herausforderung für die Akteur_innen, da Entscheidungen über theatrales Wissen und Nichtwissen getroffen werden müssen. Stefanie Wenner, eine der Initiator_innen der Arbeitsgruppe für ein Archiv des freien Theaters und Erdmut Wizisla, Leiter des Bertolt-Brecht-Archivs, geben Einblicke in die Praxis und Diskurse von Archivar_innen und Archivaktivist_innen, die mit Dokumenten des Theaters und ihren Macher_innen umgehen.
Sex, Schmutz, Xenophobie und ein lebendiger Staubsauger. Roee Rosens Operettenfilm The Dust Channel
The Dust Channel von Roee Rosen ist ein Film zur Sauberkeitsmanie mit gleichzeitig verdrängter Faszination für Schmutz, zum Warenfetischismus und zur restriktiven, sich nur scheinbar an internationale Konventionen haltende Asylpolitik Israels. Dabei lotet Rosen die Möglichkeiten der Vermischung einer Operette mit Avantgarde-Stummfilm-Ästhetik und zeitgenössischen Nachrichtenformaten aus. Was dabei herauskommt, ist eine Analyse der Ausübung struktureller Gewalt durch sprachliche und visuelle Metaphern, in der die ohnehin brüchige Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem unterlaufen wird.
Der Akt des Fotografierens – Ein performativitäts-theoretischer Blick auf die Häuser Mattern und Moll von Hans Scharoun
Im Œuvre des Architekten Hans Scharoun lässt sich ab den 1930er-Jahren eine besondere und spezifische Art der Fotografie ausmachen. Hinter diesen Fotografien liegt dabei weit mehr – zum Teil Brisantes –verborgen als ihnen beim ersten Anblick anzusehen wäre. Anhand der Häuser Mattern und Moll werden diese Fotografien im vorliegenden Text untersucht. Dabei soll gezeigt werden, inwieweit ein Blick auf den Akt des Fotografierens und damit auf die Fotograf_innen sowie auf die an der Fotografie beteiligten Personen im „Dickicht der Kulturobjekte“(Flusser) sich für eine performativitätstheoretische Perspektive auf die Fotografien produktiv machen lässt.
Der Akt des Fotografierens als Performance: Vito Acconcis Twelve Pictures (1969)
Das Verhältnis zwischen Performancekunst und Fotografie wird in der Regel anhand einer Gegenüberstellung von fotografischen Dokumenten und fotografierten Ereignissen definiert. Die Frage, wie Performance-Fotos jeweils aufgenommen werden, spielt im Rahmen der theoretischen Reflexion dieses Verhältnisses kaum eine Rolle, wobei es hier einige wenige signifikante Ausnahmen gibt. Der vorliegende Beitrag behandelt künstlerische Positionen – im Fokus steht Vito Acconcis Performance Twelve Pictures aus dem Jahr 1969 –, die den Akt des Fotografierens als (Teil einer) Performance konzipieren und somit dessen Stellung innerhalb des Aufführungsgefüges in einem neuen, drängenden Licht erscheinen lassen.
Performance und Architektur – Realisationen (in) der Fotografie? Gesprächsfäden, Gedankenskizzen, Ausblicke
Die Organisator_innen des Workshops „Performance und Architektur – Realisationen (in) der Fotografie?“, aus dem die fünfte Ausgabe von wissenderkuenste.de hervorgeht, haben sich für eine Nachlese getroffen und ein Gespräch über ihre Ausgangpunkte, Erkenntnisse und Fragen aus den zwei Workshop-Tagen geführt. Sie stellen neue Fragen, führen alte weiter und geben damit einen Ausblick auf die Fortführung der Diskussion über die Rolle der Fotografie für Architektur- und Performanceforschung.
„It’s a sculpture, is a picture, makes a picture“ – Die bildkonstituierenden Elemente von Jean Tinguelys „Homage to New York“ (1960) und deren Modifikation durch fotografische Bildgebungsverfahren
Mittels fotografischer Aufnahmen wurde Jean Tinguelys 1960 im Skulpturengarten des Museum of Modern Art, New York einmalig vollzogene Zerstörungsaktion Homage to New York dokumentiert, so dass sich das ephemere Ereignis der Vergänglichkeit entzog. Die Bilder von Tinguelys Homage to New York halten jedoch nicht allein die Zerstörungsaktion für die Nachwelt fest, sondern das fotografische Bildgebungsverfahren kehrt überdies die Bildhaftigkeit der Installation hervor. Bereits in der Skulptur sind bildkonstituierende Elemente angelegt, die in den Schwarz-Weiß-Fotografien der Aktion verstärkt hervortreten. Die mit der Überführung vom Dreidimensionalen ins Zweidimensionale einhergehenden Modifikationen werden anhand eines der ersten fotografisch dokumentierten Kunst-Ereignisse untersucht.
Fotografische Zurichtung privater Dinge. Einige Überlegungen zur Publikation Akram Zaatari. Earth of Endless Secrets
Erzählen private Notizbücher, Tonbandkassetten und Fotografien Geschichten? Oder berichten gesammelte Früchte und Steine vom Krieg? Der libanesische Künstler Akram Zaatari transformiert scheinbar belanglose Dinge zu Bedeutungsträgern.
Alternatives Wissen im Archiv. Die Fotografien der Arab Image Foundation als divergente Positionen
Beherbergt das Archiv der in Beirut beheimateten Arab Image Foundation ein anderes Wissen? Ein Wissen also, welches sich gegen essentialisierende Zuschreibungen richtet, wie diese in zahlreichen archivarischen und orientalisierenden Diskursen zu finden sind? In diesem Sinne gilt es zu erörtern, inwiefern sich die Arab Image Foundation sowohl gegen die Vorstellung einer kongruenten Meta-Erzählung respektive gegen das Konstrukt einer „offiziellen“ Historiografie wendet als auch kolonialen Festschreibungen eine Absage erteilt.