Zum Wissen gehört das Nicht-mehr-Wissen, das Vergessen. Vergessen setzt voraus, dass etwas gewusst wurde, aber dem Gedächtnis nicht mehr zugänglich ist. Etwas ist uns entfallen – heruntergefallen, weggefallen, manchmal auch befallen. Für die Psychoanalyse gehört das Vergessen mit dem Versprechen und Vergreifen zur Psychopathologie des Alltagslebens. Es liefert einen Hinweis auf Motive und Wünsche, die wir uns nicht eingestehen, ohne dass bereits eine Verbannung des Gedankens erfolgt ist wie beim Verdrängen oder Verleugnen.
Fragmentarischer Istzustand
Theo Eshetus Atlas Fractured besteht größtenteils aus auf menschliche Gesichter projizierte Weltkulturgeschichten und den Stimmen bekannter Dichter_innen und Denker_innen des 20. Jahrhunderts. Die Frage globaler Gleichheit beantwortet seine Arbeit enigmatisch.
Ästhetik des Provisorischen. Über Bricoleur und Provisoriker/in
Fahrradsattel mit Gaffa-Tape kleben, Regal mit Kabelbinder festzurren, Garten mit Hochbeeten aus Paletten anlegen, Designermöbel aus zusammengeschraubten Schichtholzplatten imitieren, Treppengeländer mit Wäscheschnur bespannen. All diese Praktiken bringen Artefakte hervor, die eine Ästhetik des Provisorischen eint. Man sieht den Interieurs, Stadtgärten und Objekten ihr Gemachtsein an und soll es auch. Eine auf Dauer angelegte Unfertigkeit tragen sie zur Schau, weil Dinge aus der Infrastruktur unserer Post-Industriekultur umgenutzt werden oder auf Dauer gestellt ist, was einmal für den schnellen Warenumschlag gedacht war. Warum ist eine Ästhetik des Provisorischen so verbreitet und angesagt? Und was unterscheidet den Bastler, den der Ethnologe Claude Lévi-Strauss beschrieben hat, von dem/der Provisoriker/in von heute?
Das Gaffa-Tape als Material des Provisorischen
Gaffa-Tape: Ein Material, das wie kaum ein anderes derzeit eine eigene Fankultur um sich schürt. So heißt es in dem Song Schwarze Wolke des deutschen Rappers Prince Pi von 2013: „ … jedes Problem lösbar mit Gaffa und Schweizer, der gute alte MacGyver …“. (Prince Pi: Schwarze Wolke, Album: Kompass ohne Norden) Der Verweis auf die TV-Figur Angus MacGyver, bekannt für die Fähigkeit, die unmöglichsten Probleme mit simplen Materialien lösen zu können, weist nicht nur auf die Beliebtheit des Klebebandes, sondern auch auf dessen Potenziale bezüglich eines intelligenten, provisorischen Problemlösens hin.
Rein provisorisch – ein Kommentar
Rein provisorisch. Einige Gedanken zum Thema.
Das Unwissen der Künste. Eine Besprechung von On Not Knowing. How Artists Think, hg. von Elizabeth Fisher und Rebecca Fortnum (London 2013)
On Not Knowing demonstriert, inwiefern Unwissen und die Verweigerung von Wissensproduktion als ein zentrales Element der künstlerischen Praxis gesehen werden können. An sich ist dies zwar keine überraschende Einsicht, jedoch zeigt das Buch, dass es sich lohnt, eine Differenzierung von Unwissensformen vorzunehmen.
Perspektiven für eine Geschichte des Kunstgewerbes
Die Geschichte des Kunstgewerbes lässt sich als Spannungsgefüge erzählen. Unauflösbar bleiben Vermischungen zwischen Wissensgebieten, die bei dieser Neugründung eines Fachgebiets zusammengeraten. Das Kunstgewerbe hat jedoch Grenzen etabliert und unterlaufen, die bis heute wirkmächtig sind: Kunst und Nicht-Kunst, gute und böse Dinge, berechenbare Gestaltung…