Die aktuelle Ausgabe widmet sich dem Provisorischen und dessen Beziehungen zum Wissen. Dabei umschreibt das Provisorische ein Themenfeld, das die gesellschaftliche Lebensrealität und -qualität im Kleinen und im Großen selbstverständlich mitdefiniert. Gegenstände des Provisorischen (z.B. Zelte, Dixie-Toiletten oder auch Zahnersatz) sind ebenso aus alltäglichen Situationen bekannt wie provisorische Systeme (z.B. gewählte Regierungen oder Verkehrsumleitungen). Provisorischen Maßnahmen wohnt stets eine potentielle Doppeldeutigkeit inne: Zum einen überbrücken sie zeitnah aktuelle Probleme und mildern oder beseitigen somit einen Missstand, zum anderen handelt es sich bei ihnen nicht um endgültige Lösungen, sondern vielmehr um zeitlich unbestimmte (und daraus resultierend) technologisch begrenzte Systeme. Diese zwei Seiten der provisorischen Medaille – einerseits positiver Fortschrittsglaube der kleinen Schritte, andererseits negative Konnotation durch fehlende absolute Antworten – deuten sich nicht zuletzt im etymologischen Ursprung (Iat. provisio u.a. Vorhersehen, Vorsorge, Vorsicht) an.
Das Prozesshafte und damit einhergehend die Dynamik, die dem Provisorischen innewohnt, scheint nicht nur hinsichtlich des Wissenstransfers spannend: Wie wird praktisches Alltagswissen neu verortet und an unerwartete Anforderungen angepasst? Darüber hinaus kann eine Beschäftigung mit dem Provisorischen, aber auch ein Denken und Handeln, das sich dessen Funktionsweisen bedient, das Provisorische als Kreativtechnik in den Künsten selbst ausleuchten.
Redaktion: Christina Dörfling, Svenja Rokitta