Ausgabe #6 Learning from. Texte zur documenta 14 Juli 2017

Die folgenden kurzen Texte zur documenta 14, geschrieben von Kollegsmitgliedern und Gästen, setzen an kleinen Beobachtungen an, greifen einzelne künstlerische Arbeiten und Konstellationen auf und versuchen so im Schreiben fortzusetzen, was das Potenzial partikularer Standpunkte sein könnte, wie es die documenta 14 vertritt.

Mit Beiträgen von Julian Bauer, Maja Figge, Barbara Gronau, Lisa Großmann, Annika Haas, Maximilian Haas, Lutz Hengst, Felix Laubscher, Hanna Magauer, Kathrin Peters und Ildikó Szántó.

Editorial

Kuratorische Symbolisierung: Über eine politische Geste der documenta 14

Ausgabe #6

Der Artikel setzt sich kritisch mit der kuratorischen Geste der documenta 14 auseinander, ihren zentralen Spielort in Kassel, das Fridericianum, zur Gänze mit Werken der Sammlung des Athener Nationalen Museums für zeitgenössische Kunst (EMST) zu bespielen. Diese Geste wird im Bezug auf die Gefahr einer kuratorischen Symbolisierung von künstlerischen Arbeiten diskutiert, die auch andere kuratorische Gesten der Ausstellung heimsucht.

Für einen Blick hinter die Geste. Einige Gedanken zum Kuratorischen auf der documenta 14

Ausgabe #6

Die documenta 14 brachte selbstbewusste kuratorische Setzungen vor, die zum Teil scharf kritisiert wurden. Lässt sich eine Kritik an der großen kuratorischen Geste auf die gesamte Schau und die Erfahrung der Werke im Ausstellungsraum übertragen? In Hinblick auf die Präsentation von Arbeiten in der Neuen Galerie, der Neuen Hauptpost und dem Museum für Sepulkralkultur in Kassel schlägt der Artikel vor, die vieldiskutierte Frage der Symbolpolitik zugunsten einer Untersuchung des Partikularen zurückzustellen und die Konstellationen von Werk und Betrachter_in im Ausstellungsraum auf Inhaltsebene ernst zu nehmen.

Sex, Schmutz, Xenophobie und ein lebendiger Staubsauger. Roee Rosens Operettenfilm The Dust Channel

Ausgabe #6

The Dust Channel von Roee Rosen ist ein Film zur Sauberkeitsmanie mit gleichzeitig verdrängter Faszination für Schmutz, zum Warenfetischismus und zur restriktiven, sich nur scheinbar an internationale Konventionen haltende Asylpolitik Israels. Dabei lotet Rosen die Möglichkeiten der Vermischung einer Operette mit Avantgarde-Stummfilm-Ästhetik und zeitgenössischen Nachrichtenformaten aus. Was dabei herauskommt, ist eine Analyse der Ausübung struktureller Gewalt durch sprachliche und visuelle Metaphern, in der die ohnehin brüchige Unterscheidung von Privatem und Öffentlichem unterlaufen wird.

Der Auftritt der Zeit auf der documenta 14

Ausgabe #6

Die Zeiten der documenta sind verschoben: In ihrer 14. Ausgabe dauert die Schau nicht nur 163 oder 2 mal (sich zum Teil überschneidende) 100 Tage, sie wendet sich zudem zugunsten der künstlerischen und kuratorischen Erzählung zum Teil von der Gegenwartskunst ab. Auch in den gezeigten Werken werden zeitliche Verschiebungen hergestellt und das Zeiterleben rückt in den Mittelpunkt der Wahrnehmung. Ein Blick auf das Museum für Sepulkralkultur, wo die Zeit besonders deutlich hervortritt.

Reparatives Erinnern. Der Code Noir auf der documenta 14

Ausgabe #6

Der Beitrag berichtet von einem Abend im Parlament der Körper im Kasseler Fridericianum. Am 17. Juni 2017 versammelten sich unter dem Titel Black Athena reloaded 2: The Code Noir on trial Paul B. Preciado als Gastgeber, Pélagie Gbaguidi, Künstlerin der documenta 14, sowie die Wissenschaftler_innen Françoise Vergès, David Scott und Tavia Nyong’o und das Publikum, um über diesen zentralen Gesetzestext der kolonialen kapitalistischen Moderne zu sprechen und an die bis heute reichende Gewalt zu erinnern. Die Veranstaltung wird im Verhältnis zu weiteren Thematisierungen des Code Noir im Rahmen der documenta 14 diskutiert und als Versuch der Tribunalisierung verstanden, bei dem durch reparatives Erinnern eine Öffentlichkeit für die Geschichten der Gewalt aber auch des Widerstands hergestellt wird.

Durchs Gestrüpp der Referenzen. Ein Reiseweg zur documenta 14 in Kassel.

Ausgabe #6

Beginnend im Wilhelmshöher Ballhaus, 2017 zum postkolonialen Kino gemacht, folgt der Beitrag einem Weg zu ausgewählten Stationen der documenta 14 in Kassel. Am Beispiel dort platzierter Werke werden sowohl konzeptionelle Probleme, das Ausufern der Referenzräume, als auch das Anliegen thematisiert, möglichst vielen einen Platz im Parlament der Versehrten zu bieten. Und trotz mancher Anstrengung, zwischen Politik und Ästhetik eine Balance zu finden, bleibt der Eindruck, dass sich der Besuch schon für immersive Arbeiten wie Narimane Maris Film Le fort de fous lohnt.